Rosszko? Genau jetzt. Wochenende, schönstes Wetter, und ich sitze fest. Hier. Am Bildschirm. Am Montagmorgen um fünf Uhr – um fünf Uhr! – muss das Konzept fertig und eingereicht sein. Per Mail. Punkt fünf Uhr. Die Dozentin ... Sie sieht nicht danach aus, als ob sie so früh aufsteht. Die nicht. Das Konzept zu meiner Arbeit. Zu meiner Arbeit über Rosszkos Portal. Dabei kennt jeder das Portal, jede braucht es täglich, mehrmals täglich, rund um die Welt, und jeder steigt per Portal ins System ein, und da soll ich eine Arbeit schreiben. Eine Arbeit, die niemanden interessiert.
Eine dieser Hochschulschikanen. Sechzehn Credits bringt mir die Arbeit. Wenn sie fertig ist. Und ohne sie kann ich den Bachelor in einem Jahr nicht machen. Ohne die Semesterarbeit. Das Konzept allein bringt nichts. Aber ohne Konzept: keine Arbeit. Und am Dienstagabend bereits Besprechung. Und in drei Monaten die Arbeit abgegeben.
Schönes Wetter. Cloe geht Baden. Ich sehe es hier. Im Portal. Mit Jürgen, und Diana ist auch dabei. Alles sehe ich. Und jedermann kann alles sehen, was die Freunde tun, wir sind verbunden, das weiss doch jeder, und ich weiss nicht, warum ich dieses Konzept schreiben soll …
Darum schreibe ich in diesem Blog. Das geht ohne Konzept. Hier kann ich schreiben, wie ich will. Und ich schreibe hier, weil es auch um Rosszko geht. Und ums Portal. Das Portal ist das Wichtigste an Rosszko; das Portal ist Rosszko pur. Ich könnte ja im Portal herumsuchen, vielleicht fände ich ein fertiges Konzept. Man findet im Portal alles. Und wahrscheinlich haben schon Dutzende auf der ganzen Welt die genau gleiche Arbeit geschrieben. Über das Portal. Alles Arbeiten, die keiner liest. Kopieren wäre sinnvoller als jedes Mal neu schreiben. Aber die würden das entdecken. Sie sind scharf, die von der Kommission – und dann wäre ich weg. Weg von der Schule, der Hochschule. Auf ewig.
Renate und Clare sind im Casey. Followme heisst der Rosszkodienst im Portal. Da kann jeder schauen, wo seine Freunde gerade sind. Persönliche Vernetzung, und das ist vielleicht das wichtigste, was Rosszko für mich zu bieten hat, jedenfalls im Augenblick. Ich weiss immer, wo alle sind, und das verbindet mich nicht nur, sondern gibt mir ein anderes Lebensgefühl, ein Gefühl der Verbundenheit und gleichzeitig der Unabhängigkeit, ich kann weg sein und doch da, ich kann für mich allein sein und doch mit den anderen. Natürlich spüre ich ab und zu, urplötzlich, dass ich doch allein bin, und wenn ich zu lange allein bin, stürze ich ab und bin depro, ganz schrecklich und untröstlich. Niemand ist da, der mir die Tränen abwischt. Nur, Trost kann auch auf die Nerven gehen. Aber wenn die alle unterwegs sind, und ich allein an diesem behämmerten Konzept …
Ich müsste also all die Dienste aufzählen, die das Portal, das Rosszkoportal – jeder nennt es einfach Portal, rund um die Welt –, die das Portal zu bieten hat, und das ist nicht einmal schwierig, ich könnte mich einfach durchklicken, und die Dozentin meinte, genau darin bestehe die Aufgabe, etwas, was alltäglich ist, was jeder kennt, genau zu beschreiben und seine Bedeutung zu erklären. Wir studierten ja Medienwissenschaft, und da gehöre es dazu, alles genau zu erforschen, zu beschreiben und einzuordnen. Und zu erklären. Zum Beispiel einem Marsmenschen oder einem Höhlenbewohner. Unsinn. Wenn es solche gibt, sind sie sicher schon seit langem im Portal.
Natürlich ist das Portal ein Informationsportal – und was Information ist, weiss auch jeder. Und jeder kann sich im Portal informieren, und er kann sich über alles informieren, was er zum Leben benötigt, und darum ist es recht eigentlich ein Lebensportal. Wetter, Nachrichten, Stau auf den Strassen, Lifestyle, Neuigkeiten, Mode, Verbrechen, Katastrophen, Erotik, Soziales, Prominententrasch. Jeder kennt das. Jeder formt sein Wissen im Portal, so könnte ich sagen. Unsere Dozentin zitierte einen komplizierten Philosophen, der es anders ausgedrückt hat. Aber niemand hat es so recht verstanden, auch Anne nicht, die Klügste von uns. Jeder kann sein Wissen auch auf seine Weise formen, und das hat er nicht gesagt, obwohl es doch auf der Hand liegt. Jede kann tagelang Nachrichten hören, aus allen Gegenden rund um die Welt, und sie kann sie einmal so und einmal anders hören, wie es ihr beliebt.
Und so ist jede frei, ein eigenes Wissen über diese Welt aufzubauen, und ihr Wissen braucht sich keineswegs mit demjenigen anderer Menschen zu decken. Wir können im Portal zu beliebigen Nachrichten gehen, können unsere Lieblingsnachrichten hören und sehen, Nachrichten sind austauschbar, Hauptsache, sie sind aktuell und spannend. Und aktuell sind sie allemal, kann doch jeder seine eigenen Nachrichten ins Kommunitynetz stellen, und das tun viele, und kommentieren die Nachrichten, die eigenen und diejenigen der anderen, und jeder kennt die grossen Kommunikationskünstler, die ihre Nachrichten zu wunderbaren Gebilden weben, ein kunstvolles Netzgewebe sozusagen.
Natürlich gibt es noch die grossen Kanäle, mit den grossen Nachrichten, Katastrophen, aber seit nun die Organisation der Welt von Rosszko übernommen worden ist und seit wir alle Teil der Kommunity sind, ist das Politische, das früher immer ein Haufen Streit war, zu einem organisatorischen Problem geworden, und das ist nicht mehr so viele Nachrichten wert. Ich gehe da nur sporadisch hin. Ich kenne zwar einige Leute, die das als Verlust empfinden, aber sie sind sich wohl nicht im Klaren, welcher Riesenkatastrophe wir entronnen sind, sonst würden sie anders denken. Vermutlich sind sie Gestrigdenker.
Und zu den Informationen gehören auch die Nachrichten über all die Dinge, die wir kaufen können. Rosszko hat ein wunderbares Selektionssystem erfunden, das uns anzeigt, was wir besonders interessant und begehrenswert finden, sogar ohne dass wir es suchen müssen. Unser Portal kennt alle unsere Gewohnheiten, unsere Vorlieben und Abneigungen und reagiert rasch auf deren Wechsel – schliesslich sind wir ja lebendige Wesen, die sich verändern, aber wir brauchen ja auch nicht alles zu kaufen, sondern können auch träumen von allen wunderbaren Angeboten, und manchmal träume ich – von den Süssigkeiten, die mir das Portal zeigt. Ich brauche nur am richtigen Ort hinzuschauen – das Portal erkennt meine Blicke und reagiert in Millisekunden – und schon werden mir die süssesten Versuchungen gezeigt, aus aller Welt, Ice-Creams, Sachertorten, Lakritzendrops, Schokomäuschen, und wenn ich nicht aufpasse, dann bestelle ich online und alles wird mir geliefert, dabei muss ich auf meine Figur achten, und darum schaue ich alles nur an und träume vor mich hin.
Jeder hat begriffen, dass es keine Werbung mehr gibt. Werbung war früher. Jetzt sind das die Angebote. Jeder kann etwas anbieten, im Portal, natürlich nicht gleich an erster Stelle, sondern je nachdem. Wieviel er für den Platz bezahlen will. Jeder bietet etwas an. Und jeder kann kaufen, und eigentlich ist die Kommunity, die Gemeinschaft, die sich im Portal trifft, eigentlich ist die Gemeinschaft eine Angebotsgemeinschaft, aber das würde die Dozentin nicht durchlassen, und darum schreibe ich das nur hier.
Zu den Nachrichten zählen wir auch unsere Freundesnachrichten, und wir halten uns gegenseitig auf dem Laufenden, tagsüber und nachts, denn das ist doch das Wichtigste, dass wir menschlichen Kontakt pflegen, und Rosszko hat diesen Kontakt vereinfacht, unendlich vereinfacht, und wir können uns sogar küssen, Benno und ich, wir haben uns ein Kussherz geschenkt, vor dem Abschied, zwei Kussherzen, und wenn ich meinen Mund darauf drücke, dann spüre ich seine Lippen.
Das Portal ist auf jedem Bildschirm, und wir haben natürlich alle kleine und grosse Bildschirme, und auch ganz grosse, und die kleinen tragen wir mit uns herum; die ganz, ganz grossen, sind öffentlich, denn viele Menschen lieben es, die Zeremonien, die Rosszkozeremonien gemeinschaftlich zu feiern. Entweder an den ganz grossen Bildschirmen, oder dann eben live, denn Rosszko hat dafür gesorgt, so heisst es jedenfalls, dass das Lebendige nicht verloren geht und darum wird überall immer wieder gefeiert, live, und für die anderen werden die Feiern übertragen.
Ich gehe da kaum je hin, sondern gucke alles hier auf dem Bildschirm, und wenn ich doch ausgehe, dann mit meinen Brünetten; wir haben einen Brünettenklub. Wir treffen uns, wenn es uns gerade passt, auch mitten in der Nacht, denn wir können reservieren, übers Portal, einen Tisch für uns, und wenn ich hier genug gearbeitet habe, dann gehe ich totsicher aus, und treffe mich mit meinen Brünetten.
Rosszkos Kommunity ist meine Gemeinschaft, und die Gemeinschaft ist für jeden Menschen wie eine Zwiebel organisiert, und wir gehören alle zusammen, in verschiedenen Schichten, und jeder hat seine eigene Zwiebel, jede und jeder hat andere Nächsten und Freunde und den Liebsten und doch gehören wir alle zusammen zu einer Megazwiebel. Alle Menschen dieser Welt.
Ich könnte Benno anrufen – aber der schläft. Die Zeitzonen. Er ist an einer Uni weit im Westen. Zehn Stunden Zeitunterschied. Er wird wütend, wenn ich ihn jetzt wecke. Vielleicht. Oder er ist an einer Party. Und tut im Netz so, als ob er schlafe. Ich weiss gar nicht, ob er mich noch liebt. Natürlich liebt er mich. Ich könnte auf Rosszko Intimate gehen, dann könnte ich ihn berühren, virtuell, aber er müsste auch. Er müsste auch bereit sein und Intimate einstellen. Teuer ist es. Aber ich würde seine Haut spüren. Seine Temperatur. Auf meiner Haut. Nicht wirklich natürlich, sondern mit dem Tastsensor. Er hat mir einen Sensor geschenkt, bevor er abgereist ist. Damit wir uns immer spüren. Aber es ist nicht das Gleiche. Natürlich nicht.
Ich kann ihn auch sehen, Benno, wenn ich will, und er Zeit hat – er sagt, er hat immer Zeit, doch stimmt das nicht. Er hat nur am Abend Zeit, unter Tags ist er an der Uni. Zehntausend Kilometer entfernt. Austausch. Er hat es gut. Ich bin zwar auch schon einmal weg gewesen, aber nicht an einer so bekannten Schule wie er. Abgesehen davon bin ich eifersüchtig, dort sind mit Sicherheit schöne Frauen. Er könnte sie schöner finden als mich.
Wir können uns auch mit Rosszkolovin‘ sehen, zarte Farben, und man kann Musik dazu schalten. Man kann sich auch in einem gemeinsamen Raum fühlen. Mit einem Drei-D-Apparat, Susan besitzt einen solchen; man schnallt ihn um die Augen und sieht alles wie echt. Der Sound ist auch gut. Rosszko hat das schnellste Netz.
Ich sehne mich nach Benno, das Leben ist nicht lebenswert, ohne Freund, das heisst, mit einem Freund, der weit weg ist. Aber wenn er da ist … Dann ist er immer da und dann wird mir das manchmal zu viel, ja, es ist mir auch schon viel zu viel geworden, und vielleicht ist eine Beziehung mit Intimate gar nicht so schlecht. Ich könnte ja hinreisen. Sobald ich Geld beisammen habe. Vielleicht im Herbst. Wenn er dann noch will.
Rosszkos Dienste – Services – sind alle auf einer Seite versammelt, im Portal, man kann auf einer Bildschirmseite alles überblicken. Im Grunde die ganze Welt, durch die man sich klicken kann. Ein riesiges Angebot, das jeder nutzt. Das braucht man nicht zu beschreiben; jeder kann es selbst sehen. Es ändert sich ja auch ab und zu, denn die Technik und Rosszkos Möglichkeiten bleiben nicht stehen. Rosszko ist an der Spitze. Davon lebt er. Ich weiss zwar nicht, wovon er persönlich lebt, denn die Kommunity ist ja nicht einfach eine Firma, ein Unternehmen, sondern eine Idee, Rosszkos Idee. Und es ist ein Zusammenschluss von Diensten, die dem Menschen, allen Menschen, zugutekommen.
Ich sollte das Rosszko-Konzept beginnen, und natürlich würde ich lieber einen Film anschauen, als diese beschissene Arbeit schreiben, und jeder weiss, dass das Fernsehen, die Filme zur Kommunity gehören, weltweit die grössten Fernsehanstalten sind angeschlossen. Rosszko vermittelt die Nachrichten, die Filme, die Shows, Edukation, Trainingsprogramme. Die Rosszkoprogramme sind weitaus die umfangreichsten, und die automatische Rosszkotranslation, die Sprachsynchronisation, ermöglicht, Filme in allen Sprachen anzusehen und zu verstehen. Manchmal ist sie noch fehlerhaft, die Übersetzung, aber immer seltener.
Am liebsten sind mir die Serien. Die romantischen und die schrecklichen, ich weiss nicht, warum ich die schrecklichen liebe.
Aber ich liebe diese Filme, und ich liebe sie vielleicht mehr als mein Leben – obwohl das ja nur so eine Redensart ist, aber mit den Filmen bin ich glücklich, ich weiss zwar nicht einmal, ob ich mir dazu je Gedanken gemacht habe, Gedanken machen sich die meisten Leute nur, wenn sie die Filme nicht sehen, und das war mir einmal passiert, als ich in den Ferien war, und es regnete und der Sturm heulte, und ich war mit Albert da, meinem Ex-Freund, und da war nichts, nur eine Küche, in der man den Kochherd anstellen konnte, um die Wohnung, das Zimmer etwas zu wärmen. Und kein Fernseher. Kein Netz. Nicht einmal auf den Handys konnten wir Filmchen schauen.
Wenn ich fernsehe, trete ich in eine Traumwelt ein. Es ist die Traumwelt der ganzen Welt, aber auch meine eigene Traumwelt. Eine Welt, die nur für mich gemacht ist. Ich weiss natürlich, dass alle anderen auch diese Welt anschauen, auch diese Reden hören, aber es ist doch meine eigene Welt, und Rosszko hat verstanden, diese Welt für mich zu machen. Er vermittelt die besten Filme, die besten Stories. Die beste Musik. Rosszko hat es verstanden, viel, viel mehr Filme zu zeigen, und ich finde nur da, was ich suche, denn das Rosszko-TV ist das Beste, was man sich vorstellen kann. Das Programm ist mein eigenes; das Portal zeigt mir die Filme, die ich sehen will; es erfasst intuitiv, welches meine Wünsche und Bedürfnisse sind.
Natürlich nicht mein eigenes. Doch, es ist mein eigenes Programm. Das Programm, das auf mich allein abgestimmt ist, sonst würde ich es nicht schauen. Wir schauen uns unsere eigenen Geschichten an. Das, was uns in eine höhere Welt versetzt, in die Welt des Traumes, der Phantasie. In die Welt der Sinnlichkeit. Ich bin mir selbst entrückt, wenn ich die Filme, meine Filme, anschaue. Entrückt in die Welt der Sterne.
Mit der Musik dasselbe. Ich lasse die Musik erklingen, die mir gefällt, Rosszko hat ein System entwickelt, bei dem ich die Klänge viel rascher finde, die mir zusagen, im Augenblick zusagen, die mich in die geistige Welt bringen, in eine phantastische, traumhafte Welt.
Ich bin bei mir, und alle Menschen, alle grossartigen Menschen sind bei mir, alle Filmstars, alle Politiker, alle Bösewichte, alle guten Menschen, ich bin mit allen verbunden, in meinem Geiste natürlich, aber da, im Geist, doch eben absolut real. Es ist meine Welt – meine ganz persönliche riesige Welt. Sie ist das Grösste, was die Menschheit je zustande gebracht hat.
Immer noch bin ich an meinem Tablett. Es steuert den Computer – und mein Handy. Das hat mir mein Ex-Freund geschenkt. Albert. Es ist nicht mehr das neueste. Egal. Es läuft. Und ich kann Photos anschauen. Auch Filme. Meine Favoriten sind Hochzeitfilme. Heimlich. Hochzeitsfilme stellen alle ins Internet. Es gibt auch grossartige – Prinzenhochzeiten. Da ist alles zu sehen. Die Kommentare sind blöd. Ich stelle sie ab und lasse Musik laufen. Hochzeitsmusik. Dabei weiss ich selbst nicht, ob ich einmal heiraten will. Natürlich will ich heiraten – vielleicht sogar Benno.
Wenn er das liest, ist er nicht begeistert, denn er will vermutlich nicht heiraten. Aber er sei mir treu – in der Ferne, wie er schreibt. Blödsinn. Wenn er in der Ferne ist und nicht heiraten will, warum sollte er dann treu sein. Warum soll ich ihm trauen?
Warum überhaupt soll man heutzutage heiraten? Vielleicht wirklich wegen der Hochzeit, der Traumhochzeit, und eigentlich möchte ich das wirklich einmal erleben, eine Traumhochzeit, und ich würde sie auch filmen, jede Sekunde, und würde sie mit der Musik und allem ins Portal stellen, bei der Rosszkommunity ist eine eigene Abteilung für Hochzeiten, Traumhochzeiten, und dort sind alle Hochzeiten aus aller Welt versammelt, und man kann die Kleider und alles vergleichen. Weiss müsste es sein, mein Kleid, und mit Spitzen. Vielleicht wäre ich dann schon schwanger, und das wäre noch viel schöner.
Und das Kind müsste Heather heissen, das klingt so – so international, hätte ich beinahe geschrieben, aber in der Kommunity gibt es gar keine Nationen mehr, eben dank der Kommunity, und daran müssen wir uns erst gewöhnen. Die Welt wird eine Gemeinschaft sein, eine geistige Gemeinschaft zumindest, das, was die Rosszkommunity ja jetzt schon ist.
Die Idee ist ja, dass wir alle auf der Welt, alle Menschen, das Gleiche erleben können, dass wir unser Empfinden, unsere Gefühle, unsere Emotionen austauschen können, dass wir alle einander verstehen, uns näher kommen.
Rosszkos Kommunity wird enger zusammenwachsen. Und vielleicht wird die Übersetzungsmaschine einmal nicht mehr nötig sein. Sie ist ziemlich gut – die beste, die zu haben ist. Obwohl sie täglich verbessert wird. Automatisch mit einem mathematischen Optimierungsgerät. Und kontrolliert von Sprachwissenschaftlern. Aber die Kommunity hat begonnen – spontan! – eine eigene Sprache zu entwickeln, wir Jugendliche sind da führend. Es ist natürlich Jugendslang, aber irgendeinmal wird diese Sprache alles umfassen, was man überhaupt ausdrücken kann – da bin ich sicher.
Ich bin mit der ganzen Welt in Kontakt. Ich kann meine Geistesblitze – meine Einfälle, meine Phantasie – der ganzen Welt mitteilen. Ich kann das Neueste vom Neuen mitteilen, speziell auch meinen Freundinnen. Ich kann jedermann erreichen. Wenn ich will. Und wenn sie lesen, was ich geschrieben habe. Vielleicht lesen sie nicht und sind dann selbst schuld. Normalerweise mache ich mir gar nicht so viele Gedanken, sondern schreibe eben hin, was mir einfällt, und Benno liest es manchmal, immerhin Benno. Er hat ja Zeit. Mit seinem Edelgaststudium an seiner Superuniversität. Er braucht ja dort nicht abzuschliessen, aber sie macht sich gut im Kurriculum.
In der Kommunity hat jeder sein Kurrikulum. Diejenigen, die für Rosszko arbeiten und diejenigen, die einfach zur grossen Kommunity gehören. Und wenn man eine richtige Arbeit finden will, etwas Rechtes, dann muss man ein Kurrikulum haben, das Rosszkurrikulum, und dann geht alles viel einfacher.
Kreatives Potential benötigt die Rosszkommunity, diejenige, die für Rosszko und alle anderen arbeitet. Harte Arbeit. Wer für Rosszko, für das Portal, arbeiten will, muss sich anstrengen. Will eine im Portal einen Platz erobern, an dem man sie findet, dann muss sie hart arbeiten, um sich hoch zu schaffen. Aber ich bringe das garantiert fertig, schliesslich sitze ich auch heute am Tablett und fahre nicht zum See.
Mit dem Portal und meiner Uhr kann ich alles messen. Tausende von Helferchen machen mir das Leben einfacher – und sicherer. Kalorienverbrauch, Blutdruck, Puls, Monatszyklus, Infektabwehr. Ich kann alles kontrollieren. Mit der Uhr. Elegant. Finde ich jedenfalls. Ich habe mir nicht das Teuerste gekauft, sondern etwas Günstiges. Dafür ist da noch Info. Von einer Pharmafirma. Logisch. Alles wird gemessen, und mit meinen früheren Werten verglichen. Und mit den Idealwerten. Ich bin immer noch über meinem Idealgewicht, das bin ich immer gewesen, als Kind sogar pummelig. Aber warum schreibe ich das, das kennt jeder. Heutzutage ist doch jeder an einer solchen Uhr angeschlossen, und es werden statistische Werte gemessen, und es wird geraten, man solle so und so viele Kilometer gehen pro Tag, dafür habe ich aber gar keine Zeit, das ganze Laufen geht mir ohnehin auf die Nerven, manchmal schummle ich, aber das geht kaum mehr, weil die Uhr automatisch die Schrittzahl pro Tag misst.
Mit dem Rosszkosystem sind wir alle in einer Organisation, und auch unsere Schulen werden koordiniert, und zertifiziert, nach einem einheitlichen System, darum konnte Benno auch in eine Uni auf der anderen Seite der Erde, und ich werde für die Kommunity Medienarbeit machen, ganz sicher, irgendwo, am liebsten in einer grossen, einer ganz grossen Stadt, die Städte werden immer grösser, und in den wirklich grossen Städten sind die Events noch grösser und schöner, und da können wir dann wirklich hin und das ist noch schöner als am Portal.
Die Schulen werden koordiniert, und es wird festgelegt, was wirklich gelernt werden muss, denn die Kommunity koordiniert auch das Wissen der Menschen, und genau das habe ich nicht genau begriffen, denn jede kann doch anderes Wissen abrufen im Portal, und so sind die Schulen und Universitäten eigentlich hauptsächlich zuständig für die Koordination des wichtigen Wissens. Und nur die Wissenschaftler müssen weitersuchen, alle anderen können sich auf das koordinierte Wissen berufen, gemäss dem Degree, mit dem sie abschliessen.
Im Portal können wir uns auch zeigen. Und Zeigen ist eine Art Information, vielleicht die wichtigste und ursprünglichste Information. Wir informieren unsere Mitmenschen über uns selbst. Wir stellen uns dar. Wir präsentieren uns. Die Menschen sollen wissen, mit wem sie es zu tun haben, und mit dem Rosszkoportal können wir uns selbst, jede und jeder von uns, der ganzen Welt jedem anderen darstellen. Ich kann mich zeigen, meinen Charakter, meine Stärken, meine Vorlieben, meine Erlebnisse, ich kann meine Gefühle zeigen, ich kann einen Barometer über mich selbst in der Kommunity zeigen, und wer sich im Netz zu mir durchklickt, der kann mich kennen lernen. Durch und durch. Ich bin mit Bildern, Kurzfilmen und Gedichten vertreten. Die Bilder habe ich selbst gemacht, und die Filme selbst geschnitten. Wir können uns mit allen Apparaten aufnehmen, und die Aufnahmen werden je nach Stimmung und Geschmack verändert. Wir sind vollkommen frei in der Darstellung – und zeigen doch immer unsere Persönlichkeit.
Ich kann alle meine Seiten zeigen, meine offensichtlichen und meine verborgenen, meine melancholische und meine verspielte. Ich bin verführerisch, das eine Mal, und zickig am nächsten Tag. Ich bin ich selbst, und bin doch immer anders. Verborgen im zwielichtigen Schatten und strahlend in der südlichen Sonne – ich habe letztes Jahr am Meer einen halben Tag lang photographiert, mit meinem Prozessor, den ich immer mittrage. Mit ihm photographiere und filme ich, er speichert alle meine Daten, meine Gedanken – ich führe ein Tagebuch mit ihm, das ich der Kommunity zugänglich mache. Am schönsten sind meine Augen, sie habe ich immer wieder gefilmt, meine Augen, wenn ich in den Sonnenuntergang blicke, oder über eine weite Ebene oder wenn sich blinkendes Wasser in ihnen spiegelt. Ich habe viele Freunde gefunden – auf der ganzen Welt, die meine Augen lieben, ja lieben, so heisst es, wenn sie im Portal auf das Kästchen mit dem Herzen klicken. Vielleicht liebt mich jemand nur für meine Augen, und ist unsterblich verliebt, und meldet sich, und meint es ernst.
Natürlich bin ich nicht bei jedem auf dem Portal, aber wenn jemand „die schönsten Augen der Welt“ sucht, dann sind meine Augen, und bin ich selbst unter den hundert schönsten.
Schlimmstenfalls meint es Benno nicht ernst, aber sonst meint es jemand ernst – wer weiss – jemand, dem zu trauen ist und mit dem ich Kinder . . . Aber erst will ich Medien betreuten, und darum muss ich ja diese idiotische Arbeit schreiben, und ich habe noch nicht einmal damit angefangen, sondern schreibe hier herum, auf diesem Blog, lieber hier, hier ist man freier, ich weiss zwar nicht, wer für diesen Blog verantwortlich ist, aber es ist mir egal, vielleicht ist das ein Experiment, und ich liebe Experimente mehr als idiotische Semesterschlussarbeiten, die keiner liest, vermutlich nicht einmal die Dozenten, die blättern das nur durch, die wollen auch in die Ferien, und peilen ihre Noten über den Daumen.
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Andreas KöhlerLessingstrasse 2CH - 9008 St. GallenDr. med. / FMH Psychiatrie und Psychotherapie