Rosszko? Rosszko spricht von einer Kommunity. Einer Gemeinschaft. Einer Wertegemeinschaft, von einer geistigen Gemeinschaft, von einer friedlichen, solidarischen Menschheit. Als ehemaliger Banker muss ich Ihnen sagen, dass es eine Glaubensgemeinschaft ist. Eine Gemeinschaft von Gläubigen, Rosszkogläubigen, Wohlstandsgläubigen, und um es genauer auszudrücken – um eine Gläubigergemeinschaft.
Rosszko benötigte natürlich Kredite für seine Unternehmungen. Er hatte ja ursprünglich kein Geld, und ohne Kredite wird niemand gross. Rosszko hatte Erfolg, darum erhielt er die Kredite immer – und unter optimalen Bedingungen. Man glaubte ihm. Damals wie heute. Wie weit er die Banken gegeneinander ausspielte, das heisst, seine Kreditwürdigkeit hochpokerte … Darüber kann man im Nachhinein spekulieren – aber das gehört zum Geschäft und ist nicht zu beanstanden, jedenfalls nicht durch mich. Ich hatte übrigens eine Zeitlang mir ihm zu tun, werde hier jedoch keineswegs über das eigentlich Geschäftliche berichten – meine Berufsgeheimnisse trage ich weiter, auch wenn ich nicht mehr Banker bin. Ich habe meinen Stolz.
Immerhin so viel: Ich habe wegen Rosszko meine Stelle verloren. Man hat es damals als Bankenkonzentration oder Marktbereinigung deklariert. Im Wesentlichen waren es aber Illiquiditäten – Pleiten nennt es der Laie – von Instituten, die von anderen Banken und von damaligen Regierungen übernommen wurden. Ich will nicht ungerecht sein. An den Pleiten waren nicht Rosszkos Geschäfte schuld, sondern die Begehrlichkeiten der Banken. Rosszkos Unternehmungen florierten; sie brachten Gewinne, die reinvestiert wurden. Rosszko bezahlte seine Verbindlichkeiten – aber die Banken hofften, seine Geschäfte auch konkurrenzieren zu können. Das ist nichts Besonderes. Man hofft, dass ein Markt durch den Leader zur Expansion gebracht wird, dann ist Platz da für Konkurrenten. Die Rechnung ging nicht auf – ausser für Rosszko. Er war zu weit im Vorsprung.
Renne nie einem Konkurrenten nach, dem du nicht mindestens im Nacken sitzt. Wir alle nahmen Rosszko nicht ernst, zu lange nicht. Auch als er schon gross war. Newcomer nimmt man nicht ernst, vor allem nicht in seiner Branche. Und irgendwann war es zu spät. Zumal er neue Geschäftszweige integrierte. Wir konnten nicht anders, wir alle konnten nicht anders, als immer mehr Kredite laufen zu lassen, und irgendwann kippte die Waage und unsere Konkurrenzgeschäfte liefen schlecht und Rosszko – der uns immer noch Geld schuldete, begann umzuschulden und unsere Schulden mit Aktien – seiner Firmen natürlich – zurückzuzahlen, und wir hatten gar keine andere Möglichkeiten, als in die Knie zu gehen, denn wir – wir! – wären nun unsererseits Pleite gegangen, wir waren beinahe Pleite, und die Staaten, die damaligen Staaten, die gab es ja noch, die stützten uns.
Sie hätten es bleiben lassen können, denn dann kam Rosszko mit dem Rosszkoin, seiner Privatwährung – ich weiss, er nennt es Kommunitywährung – was wir alle lange Zeit als vollkommen lächerlich betrachteten, denn Privatwährungen hatten noch nie funktioniert, so dachten wir – und dann funktionierte der Rosszkoin doch. Weil Rosszko Rabatte in seiner eigenen Währung anbot – und die Mitarbeiter mit Aktien in Rosszkoin köderte. Und: Weil er nichts verdiente.
Rosszko schien kein Interesse an Geld zu haben. Wir lachten. Rosszko hatte bereits weitaus die grösste wirtschaftliche Potenz. Doch er schuf keine Gewinne. Für sich selbst. Für die Unternehmen schon. Er bediente die Kredite, die immer kleiner wurden, und stieg langsam aber stetig auf den Rosszkoin um. Der allmählich zu einer Parallelwährung wuchs, weil die Leute hofften, er würde an Wert gewinnen. Das tat er auch. Und schliesslich übernahmen die ersten Länder – Schwächlinge – den Rosszkoin als Landeswährung. In der Hoffnung, ihre Schulden abbauen zu können. Sie irrten. Sie lieferten sich Rosszko aus. Wie wir alle auch.
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Andreas KöhlerLessingstrasse 2CH - 9008 St. GallenDr. med. / FMH Psychiatrie und Psychotherapie