Rosszko? Wir ängstigten uns – und schwiegen. Und einige weinten. Und dann sangen wir. Immer und immer wieder. Wir hätten uns in den Tod gesungen. Wir wären singend gestorben. Das Letzte, was die stürzende Welt von der Menschheit gehört hätte: Gesang. Und es geschah – nichts. Wir lebten. Wir durften leben, weiterleben. Wir verharrten.
Und dann erschien das Militär. Überall. Bei uns mit Camions, andernorts marschierend. Wir sahen es im Portal. Wir konnten überall hin klicken. Allerorts Soldaten. Mit ihren Waffen. Die sie gesichert hatten. Und sie bewachten uns – uns Menschen.
Das Portal zeigte Platz um Platz. Auf der ganzen Welt. Und überall war Militär und überall war Frieden. Nach und nach atmeten wir auf. Wir atmeten durch. Die Brust weitete sich – und wir holten neuen Atem für ein neues Leben. Wir richteten den Blick zum Himmel. Er war blau und weit – und rein. Ohne Raketen und ohne Bomber. Ein Himmel des Friedens.
Der Gesang verstummte. Und ein Orchester spielte die Hymne, die Hymne der Befreiung. Die Hymne des Himmels. Auf allen Portalen, in allen Medien wurde die Hymne gespielt, und Instrumente wurden hergebracht, und die Klänge wurden übernommen, von allen Musikern, von allen Stimmen, von uns allen, die wir mitsangen, das Lied von der Freiheit, das Lied der Gemeinschaft, eben komponiert von unserem grössten Komponisten, dessen Klänge seit jeher das Hohe Portal erfüllen.
Doch dann wandelte sich die Musik, und wir begannen uns zu bewegen, unsere Angst war verflogen, und Blut strömte wieder in unsere Glieder; diese wurden lebendig, wir fanden zurück in unsere Körper; sie gehörten wieder uns, sie, die eben noch des Todes waren. Wir gehörten uns selbst, und wir begannen zu tanzen, unwillkürlich, wie Kinder, die an die Sonne strömen.
Wir tanzten nach der Musik aus dem Portal, aus allen Portalen, denn alle trugen wir unsere Portale mit uns, unsere Tore zur Kommunity, zur allumfassenden Gemeinschaft. Wir tanzten nach allen Klängen, nach allen Klängen der Welt, nach der Musik aller Völker, nach der Musik aller Zeiten, nach der Kunst, die unsere Seelen seit Urzeiten verbindet.
Ich? Ich bin die Frau, die ihre zwei Kinder wiedergewonnen hat, die sie sättigt und erzieht. Die ihnen Wärme gibt; ich allein. Und doch tanzte ich, mit meinen Kindern, denn mit ihnen lief ich auf den Platz, mit ihnen blickte ich auf das Portal, mit ihnen vernahm ich die Erlösung. Sonst? Was wollen Sie sonst? Ich bin hübsch und immer noch jung und sehne mich nach Liebe. Wie alle Frauen auf dieser Welt.
Und nach Glück. – Vielleicht macht uns Rosszko glücklich.
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Andreas KöhlerLessingstrasse 2CH - 9008 St. GallenDr. med. / FMH Psychiatrie und Psychotherapie